4. Sinfoniekonzert: Verwandlungen

Stephan Zilias, 1. Kapellmeister der Deutschen Oper Berlin, dirigiert am 26. und 27.01.2020 das 4. Sinfoniekonzert des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover. 45 Minuten vor beiden Konzerten ist er in der Einführung im Foyer zu erleben, hier beantwortete er vorab Fragen von Dramaturgin Swantje Köhnecke.

 

Das Programm des 4. Sinfoniekonzerts geht Stück für Stück in die Vergangenheit, in die 1960er, 1930er, 1840er Jahre. Was verbindet die Werke von Henri Dutilleux, Béla Bartók und Robert Schumann?

 

Eine ungeheure Energie und Spielfreude! Alle drei pulsieren vor Leben und vor innerer Spannung. Dutilleux‘ Orchesterwerk Métaboles ist höchst virtuos für alle Orchestergruppen. So auch Bartóks 2. Violinkonzert: Es gibt nur wenige Solokonzerte, in denen das Orchester so viel zu tun bekommt. Und Schumanns 2. Sinfonie ist voll mit kribbelnder Energie von der ersten bis zur letzten Note.

 

Der Komponist Henri Dutilleux hat 2005 den Ernst-von-Siemens-Musikpreis bekommen, auch „Nobelpreis der Musik“ genannt. Trotzdem ist er in Hannover bisher selten gespielt worden. Warum?

 

Dutilleux hat nicht so große Wellen geschlagen wie andere Komponisten. Aber er hat es geschafft, dass einige seiner Werke heute zum Kanon der Orchesterliteratur gehören – und das können nicht viele Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von sich behaupten! Seine Musik ist publikumswirksam, vielen Menschen gefällt sie auf Anhieb. Auch unser Orchesterstück Métaboles ist ein wahnsinnig cleveres, gut gearbeitetes Stück. Es klingt einfach wunderbar, was auch für die Orchester wichtig ist.

 

Da hat Bartók in seinem Violinkonzert 30 Jahre zuvor größere Experimente gewagt …

 

Bartók ist der wesentlich radikalere und einflussreichere Komponist, das ist kein Vergleich. Er schrieb dieses Violinkonzert 1937/38 in einer Zeit des Wandels, es ist ein Abschiedsstück – sein letztes Instrumentalwerk vor der Emigration nach Amerika, mit vielen Rückgriffen auf die ungarische Volksmusik. Der Anfang klingt ja so, als säße der Geiger 1938 in Budapest auf der Straße. Da ist deutlich eine Wehmut zu spüren, eine Ahnung, dass in der Welt des aufkommenden Faschismus kein Platz mehr ist für ihn und seine Musik.

 

Der Solist Tobias Feldmann ist in Hannover gut bekannt, als Preisträger des Internationalen Violinwettbewerbs 2012. Kennen Sie sich schon?

 

Ich habe ihn schon in Konzerten erlebt, und wir werden uns zur Vorbereitung des Bartók-Konzerts in Berlin treffen. Außerdem haben wir lustiger Weise viele gemeinsame Bekannte, die Musikwelt ist klein. Ich freue mich sehr auf unsere erste Zusammenarbeit, er ist ein großartiger Geiger!

 

Haben Sie eine Lieblingsstelle im Programm? Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?

 

Schumanns 2. Sinfonie ist eines meiner Lieblingsstücke. Sie gehört zu den Werken, die ich seit der Kindheit immer wieder gehört habe und gedacht habe: Das möchte ich unbedingt mal dirigieren! Wie schön, dass sich das jetzt in Hannover ergibt. In der Sinfonie selbst freue mich am meisten auf den langsamen Satz. Das ist einer der schönsten instrumentalen Sinfoniesätze, die Schumann je geschrieben hat. Gewaltig finde ich, wie dann am Schluss der Sinfonie das Motto nochmal auftaucht und wie ein Berg allmählich aus den Wolken hervortritt und immer konkretere Züge annimmt – da ist die zyklische Anlage der Sinfonie deutlich zu spüren. Das sind zwei absolute Lieblingsstellen!

 

4. Sinfoniekonzert: Verwandlungen

So 26.01.2020, 17:00 Uhr
Mo 27.01.2020, 19:30 Uhr

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