Der Ursprung der Welt nach dem Comic von Liv Strömquist hat im Ballhof Eins Premiere. Eine Suche nach Antworten in der Kulturgeschichte der Vulva. Dramaturgin Melanie Hirner hat die Regisseurin Franziska Autzen getroffen.

 


Franziska Autzen
Foto: Andre Gans
 

 

Franziska, das Stück sollte schon im März Premiere feiern. Nur wenige Tage vorher kam der Lockdown des Theaters, die Produktion wurde zunächst zwangsläufig auf Eis gelegt. Was bedeutet das für deine Arbeit?

 

Ich merke nun im Nachhinein, dass ich das alles nicht so richtig fassen konnte in dem Moment. Wenn man mitten in Endproben steckt, bedeutet das, dass man in seinem eigenen Kosmos unterwegs ist und man konzentriert sich auf diese eine Sache, die Produktion. Man ist energetisch auf einem High Level unterwegs. Und dann waren wir nach diesem Bruch erst einmal verunsichert: Geht es weiter? Wann geht es weiter? Und unter welchen Umständen? Jetzt, ein halbes Jahr später, klopfe ich unermüdlich auf Holz und hoffe, dass die Premiere stattfinden wird und uns keine zweite Welle ereilt. Das betrifft ja nicht nur mich, sondern alle Theater und Kulturinstitutionen ...

 

Wie gehst du nun in die Wiederaufnahme der Proben hinein, in dieser Corona-Erfahrung?

Ich bin entspannter. Ich habe dann zur Vorbereitung zwei Szenen textlich überarbeitet und mich damit beschäftigt, wie es mit den neuen Maßnahmen aussehen könnte. Aber für mich war von Anfang an klar, dass Corona keinen zu großen Einfluss auf diesen Abend erhalten wird. Wann hat man schon einmal die Gelegenheit, ein Theaterstück über das weibliche Geschlechtsorgan zu machen?! Das lassen wir nicht von einem anderen Thema dominieren. Was mir aber tatsächlich einen kleinen Kloß im Hals verursacht, ist die Frage des notgedrungenen Abstands auf der Bühne. Klar wird es toll sein, wieder arbeiten zu dürfen und das können wir nur, wenn wir die Sicherheit aller gewährleisten – keine Frage! Aber die Nähe und Dichte, die für mich Theater und generell das Menschsein ausmachen, fehlen zu dieser Zeit. Ich bin gespannt, was es mit uns macht.

 


Der Ursprung der Welt
Foto: Kerstin Schomburg
 

 

Wie bist du eigentlich auf diesen Stoff gestoßen und was waren deine ersten Ideen dazu, diesen Stoff auf die Bühne zu bringen?

 

Eine Freundin hat mir den Comic vor ein paar Jahren zum Geburtstag geschenkt. In meinem Bekanntenkreis wurde er ziemlich oft herumgereicht. Meine ersten Gedanken waren: Wow, einen Comic auf eine Theaterbühne zu bringen, das habe ich noch nie gemacht! Und auch noch einen Comic über die Vulva! Was für ein spannendes Thema und gleichzeitig eine Herausforderung! Klar war für mich von Anfang an, dass sich nicht nur Frauen eingeladen fühlen sollen. Denn das „da unten“, wie es so schön heißt, geht uns alle etwas an. Denn Feminismus heißt für mich Gleichberechtigung.

 

Wie wichtig ist es dir, als weibliche Regisseurin feministische Stoffe auf die Bühne zu bringen und diese Perspektive am Theater voranzutreiben? War das bereits in vorherige Projekte von dir eingeflossen?

 

Die Perspektive ist natürlich immer in meine Projekte mit eingeflossen, weil ich eine Frau bin. In all meinen Stücken habe ich automatisch aus mir heraus auf Gleichberechtigung geachtet. Das fängt schon bei der Verteilung von Texten an. Der Mann sagt mehr als die Frau? Die weibliche Figur hat keine aussagekräftigen Textstellen? Da wird aber ganz schnell bei mir umgeschrieben und umverteilt. Meine Spielerinnen und Spieler und die Figuren begeben sich immer auf Augenhöhe in den Abend, egal welchen Geschlechts, Alters oder Sexualität. Mein Sinn für Gleichberechtigung war schon immer sehr ausgeprägt. Der Ursprung der Welt ist mein erster „richtiger“ feministischer Stoff und ja, ich finde es wichtig, solchen Stücken und Themen Aufmerksamkeit zu geben. Genau wie in jedem anderen Berufsfeld auch.

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