Junges Schauspiel
Spielzeit 25/26
Pssst!
Von Cathrin Rose
Leitung Junges Schauspiel und Stadtdramaturgie
Kinder sind das anspruchsvollste, ehrlichste und spontanste Publikum, das ins Theater geht. Sie sind offen, voller Fantasie, sie nehmen die Behauptung Theater ernst und lassen sich meist bedingungslos auf das Spiel ein. Nichts ist schlimmer als eine stille Aufführung für ein sechsjähriges Publikum. Sie kommentieren laut, besprechen voll Enthusiasmus das Bühnengeschehen mit ihren Sitznachbar*innen. Shakespeare hätte seine Freude daran! Und wenn sie sich langweilen oder das Stück einfach nicht gut ist — tja, dann wird es eben noch unruhiger, und kein Pssst der Welt kommt dagegen an.
Beim jugendlichen Publikum sind die Anforderungen andere. Hier bleiben die Reaktionen häufig ganz aus. Unlesbare Gesichter: Gefällt ihnen das Stück jetzt eigentlich oder nicht? Aber so wie das Kinderpublikum wollen sie von den Künstler*innen ernst genommen werden und merken innerhalb von Minuten, ob das der Fall ist oder nicht. Und wenn nicht, wird es auch hier unruhig, und auch hier braucht man mit dem Pssst gar nicht erst anzufangen.
Es gibt ganz besondere Künstler*innen, die sich diesem Publikum verschrieben haben. Die mit ihren Inszenierungen Kinder und Jugendliche ernst nehmen und auch das ältere Publikum begeistern. Sei es der genial-verrückte Jetse Batelaan, der mit seinen Arbeiten alle Theaterkonventionen auf den Kopf stellt, oder Moniek Merkx, die in ihren Theaterstücken Bewegung, Text und Musik zu außergewöhnlichen Bildern zusammenfügt. Oder Wera Mahne und Lennard Walter, die ihre Inszenierungen in Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickeln und deren Stimmen und Meinungen einen ernstzunehmenden Platz einräumen. Lena Brasch wird zum ersten Mal explizit für ein junges Publikum inszenieren. Ihre klare Formsprache und zeitgemäße Ästhetik versprechen, auch Jugendliche für das Theater zu begeistern.
Theater ist ein Spiel mit Sprache, mit Identitäten, mit Stilen und Genres, und es gelingt nur, wenn das Publikum sich auf das Spiel einlässt. Zum Beispiel, wenn in „Der unsichtbare Mann“ für Menschen ab vier Jahren die Spieler*innen so tun, als ob sie das Publikum nicht sehen könnten, und die einzige Person, die es kann, selbst unsichtbar ist. Oder wenn bei unserem Familienstück „Die Schneekönigin“ für Menschen ab sechs Jahren alle gemeinsam die Geschichte von Kay und Gerda erzählen und in viele unterschiedliche Rollen schlüpfen.
Das Klassenzimmerstück „DRuCK“ für Menschen ab zwölf Jahren bringt die Realität in den Klassenraum, und wir hören die Stimmen von Jugendlichen, die ein Spiel anstoßen, in dem sich alles um den Druck dreht, der in Schule, Social Media, Peergroup und Familie herrscht.
In „Gewässer im Ziplock“ für Menschen ab 14 Jahren und „Deutsch, du Schuft!“ für alle ab zehn Jahren wird dann das Spiel mit Identitäten und Sprache gespielt. Kann die Muttersprache der 15-jährigen Margarita, der Hauptfigur in „Gewässer im Ziplock“, Deutsch sein, wenn die des Vaters Hebräisch und die der Mutter Englisch ist? Nichts passt besser auf eine Bühne als eine Geschichte, in der Identität nichts Beständiges ist, sondern hinterfragt wird und auch mal aus dem Gleichgewicht gerät.
In „Deutsch, du Schuft!“ lassen wir uns auf das komplizierte Spiel mit den Worten ein: Sprache bestimmt in großem Maße unsere Identität. Namen und Bezeichnungen sind Markierungen, denen wir nicht so einfach entkommen können. Sprache kann Dinge entstehen und verschwinden lassen, Realitäten erschaffen, bewerten und befreien.
Also kommt vorbei und spielt mit uns! Kommt mit Schulklassen, Vereinen, als Familie oder einfach nur so allein. Und wenn irgendwem mal wieder das PSSST auf der Zunge liegt, denkt an Shakespeare, der sich über ein ruhiges Publikum ärgern würde. Dabei waren zu seiner Zeit fast nur Erwachsene im Theater.