Editorial Spielzeit 25/26

Liebe will riskiert werden

Von Vasco Boenisch

 

Vasco Boenisch, des. Intendant Schauspiel Hannover
Foto: Tobias Kruse

 

Darf ich Ihren Puls fühlen? Ich weiß, wir kennen uns noch nicht, und schon will ich Ihnen ans Handgelenk. Sie können das natürlich auch selbst machen. Wie geht es Ihnen momentan: zufrieden, sorglos? Oder kochen Sie innerlich vor Wut und sind auf hundertachtzig? Vielleicht sind Sie auch frisch verliebt? Ich frage, weil ich Sie nicht kenne, noch nicht kenne. Aber das will ich ändern: Herzlich willkommen!

Willkommen an einem Ort der Wärme und Zuversicht.

Echt jetzt? Ja — wir möchten mit dem Schauspiel Hannover ein Wärmezentrum sein.

Die Zeiten sind wirr, kalt, bedrohlich. Wir können aber zusammenstehen, zusammenkommen und uns gemeinsam inspirieren und berühren und bewegen lassen. Durch Geschichten. Gedanken. Menschen. Menschen wie Du und Sie und ich. Menschen, ganz anders als ich und Sie und Du. Auch darum geht es: sich das Gegenteil vorstellen können. Und im nächsten Moment Kraft und Mut schöpfen durch Verbindung. Wir stecken hier gemeinsam drin.

Das ist eine Chance, eine große. Ich möchte gerade nirgendwo lieber sein als im Theater. Natürlich weiß ich, dass das echte Leben woanders spielt, und vielleicht sollten wir alle eher raus auf die Straße, protestieren, politische Arbeit machen, Care-Arbeit, Naturschutzarbeit. Aber im Theater können wir noch etwas anderes, und das entfacht ganz eigene Energien. Durch Kunst. Durch Formen Farben Körper Sprachen Klänge, durch Ideen Emotionen Sinnlichkeit, durch geteilte Räume offene Räume Dialog Begegnung Austausch, durch Gemeinsamkeit Aufmerksamkeit Sicht- und Hörbarkeit. Kunst muss keinen übergeordneten Zweck erfüllen. Sie ist frei. Kunst muss nur eines: gefallen, und das auch im Missfallen, Irritieren, Stören; das ist das Tolle an Kunst.

Und gleichzeitig kann Theater viel bewirken. In Ihnen, in Euch.

Mit Ihnen, mit Euch.

Mit uns.

 

Der Ruhepuls eines Menschen liegt in den meisten Fällen zwischen 60 und 80 Herzschlägen pro Minute. Damit befinden wir uns auf einem Niveau mit Monarchfaltern. Verglichen mit der Spitzmaus (bis zu 1200 Schläge) sind wir nahezu scheintot, verglichen mit dem Blauwal (acht bis zwei Schläge) ganz schön aufgekratzt. Und da geht noch mehr: Wenn wir uns körperlich anstrengen. Wenn wir gestresst sind, Angst haben, Wut. Wenn wir berauscht sind, euphorisch, verliebt. In der Spitze schafft unser Menschenherz 220 beats per minute.

Da wollen wir mit Ihnen hin. Gut, nicht ganz. Nicht in den anaeroben Bereich. Aber wir wollen: Ihr Herz entflammen. Ihr Gemüt erregen. Den Gefühls- und Gedankenkreislauf in Schwung bringen.

Wir wollen Liebe, und wir spielen auf Risiko.

Liebe will riskiert werden.

Davon sind wir überzeugt. Und davon wollen wir uns am Schauspiel Hannover leiten lassen.

Der Satz kommt nicht von ungefähr zu uns. Es ist schon ein paar Jahre her, da arbeitete ich mit dem Fotografen Daniel Josefsohn zusammen, wir schmiedeten Pläne für ein Theater, und er schlug mir dieses Motto vor. Aus den Plänen wurde leider nichts; denn Daniel verstarb überraschend und viel zu früh. Ende 2023 begann ich, die Intendanz am Schauspiel Hannover vorzubereiten, und schnell war klar, dass jetzt die Zeit für diesen Satz gekommen war. Erdacht wurde er übrigens vom Schriftsteller und Maler Tetjus Tügel Ende der 1990er, als er mit Daniel Josefsohn und weiteren Künstler*innen im Kollektiv Elternhaus zusammenarbeitete. Heute wirkt der Satz dringlicher denn je.

Was diesem Planeten nämlich gerade nicht fehlt: Egoismus, Fatalismus, Hass, Zerstörung, Größenwahn. Wir spüren sie täglich, wir setzen uns damit auseinander, und wir möchten eine Alternative bieten. (Ja, das Wort ist bewusst gewählt.) Sind Liebe, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft oder allein schon Respekt inzwischen subversiv, rebellisch? Wie stark sind sie zu erschüttern durch Attentate, Übergriffe, Respektlosigkeiten andererseits — beziehungsweise durch vereinfachte Erklärmuster und Feindbilder. Mich beeindrucken Menschen, die auch in größter Not und Verzweiflung ihren Glauben an Nächstenliebe und Zusammenhalt bewahren.

Liebe will riskiert werden.

Immer wieder. Auch die Liebe zu dem, was wir tun und wer wir sind. Selbstfürsorge und Stolz kosten Kraft. Und Mut. Als queeres Paar in der Öffentlichkeit Händchen halten? Als jüdischer Mensch auf der Straße eine Kippa tragen? Als Person of Colour in eine verdachtsunabhängige Passkontrolle geraten — oder auch nur eine aktuelle Plenardebatte, Talkshow, Internetplattform mit ihrem „Remigrations“-Hass ertragen? Als alleinerziehende Mutter Vollzeit arbeiten (müssen)? Als alter Mensch mit der Bahn reisen? Als Mensch im Rollstuhl sich frei bewegen? Als blinder Mensch ein Theaterstück besuchen? Es gibt so viele Beispiele.

Genauso viele Chancen, solidarisch zu sein.

Manchmal ist das nur unbequem. Manchmal leider auch riskant.

Liebe für die, die anders sind als ich. Einfühlung, Verständnis, Akzeptanz, wenn jemand anders glaubt, liebt, lebt. Zugewandtheit, obwohl uns politische Positionen trennen. Offen sein, den eigenen Standpunkt nicht nur testweise zu verlassen, sondern vielleicht wirklich neu zu justieren. Theater ist eine Übung in Empathie. Weil Theater immer die Begegnung mit etwas Ungekanntem, Überraschendem ist. Wie aufregend! Und wie schön, diese Erfahrung vor Ort mit anderen zu teilen.

Theaterwelten sind Welten der Uneindeutigkeit. Wir können das als Bereicherung erleben. Auch die Liebe zu dem Dazwischen will riskiert werden. Es gibt nicht nur gut oder böse. Nicht nur Mann oder Frau. Komplexität ist nicht automatisch überfordernd. Und wenn, seien wir beruhigt: Wir sind zusammen hier.

Auch gegen alle Widerstände. Am Morgen nach der jüngsten US-Wahl, die Donald Trump mit klarer Mehrheit zum Präsidenten machte, gab die Musikerin, Malerin, Autorin Patti Smith ihren Followern und allen Entmutigten, Gelähmten mit auf den Weg: „Fühlt euch nicht in die Ecke gedrängt. Lasst nicht zu, dass euer Geist und euer Herz von Anderen bestimmt werden.“ Sie schloss, aufmunternd lächelnd: „Zurück an die Arbeit.“ Ähnliches hörte Toni Morrison, die Schwarze Schriftstellerin, als sie seinerzeit nach der Wiederwahl George W. Bushs antriebsarm den Kopf in den Sand stecken wollte und ein Freund ihr sagte: „Nein! Nein, nein, nein! Das ist exakt die Zeit, in der Künstler*innen an die Arbeit gehen — nicht, wenn alles in Ordnung ist, sondern in Zeiten des Schreckens. Das ist unser Job!“ Morrison ergänzte den Satz einige Jahre später mit Blick auf unsere zerrüttete Welt: „Keine Zeit für Verzweiflung, kein Platz für Selbstmitleid, kein Bedarf an Stille, kein Raum für Angst. Wir sprechen, wir schreiben, wir erschaffen Sprache. So heilen Zivilisationen. Ich weiß, dass die Welt blutet, und obwohl es wichtig ist, ihren Schmerz nicht zu ignorieren, ist es auch wichtig, sich zu weigern, ihrer Böswilligkeit zu erliegen. Wie das Scheitern enthält auch das Chaos Informationen, die zu Wissen — sogar Weisheit — führen können. Wie Kunst.“

 

Ist Ihnen schon wärmer ums Herz?

Auch Vor-Freude pusht den Puls. Mein Team und ich, wir sind extrem vorfreudig auf diese Spielzeit mit Ihnen und mit Euch. Sie wird vielfältig, in jeder Hinsicht, wir möchten, dass die Amplituden spürbar ausschlagen, in unterschiedliche Richtungen.

Im Zentrum, immer: der Mensch.

Das Menschsein.

Nichts spannender, nichts komplizierter, nichts schöner und wichtiger als das.

Selbst an der Schwelle zur Künstlichen Intelligenz und Robotik — wie das niederländische Theaterkollektiv De Warme Winkel mit unserem Ensemble in „Der Geist in der Hamletmaschine“ ausprobieren wird. Die Welt blinder Menschen lernen wir in „Mit anderen Augen“ kennen, sinnlich und musikalisch arrangiert von Selen Kara und Torsten Kindermann. Der Alltag von Schwangeren, Müttern und solchen, die es (nicht) werden wollen, wird in den animalisch-surrealen Theaterbildern der Finnin Saara Turunen zur Kenntlichkeit verwandelt, in „Die Tage der Hyäne“. Und wir lauschen Senior*innen Ü65, die aus ihrem Liebesleben quer durch ein halbes Jahrhundert berichten in „All the Sex I’ve Ever Had“ — garantiert null peinlich, aber hundert Prozent liebevoll.

Das Private ist auch politisch.

War es stets, und wir spüren es zurzeit besonders stark.

Wenn die Regisseurin Jorinde Dröse Königinnendramen von Sisi, Lady Di und den Damen des Hauses von Hannover erzählt, in „Iconic“, interessiert sie sowohl Repräsentationsdruck als auch persönlicher Widerstand. Männliche Rollenbilder kommen in „Höhere Gewalt“ auf den Prüfstein: furioses Ehedrama und feine Satire, inszeniert von Fritzi Wartenberg. Und von den Wechselwirkungen, wie sehr wiederum Politik über noch das privateste Sein und Nichtsein bestimmt, erfahren wir auf bewegende Weise in „Heimsuchung“ von Jenny Erpenbeck, einem Panorama deutscher Geschichte vom Kaiserreich bis in die Nachwende-Zeit, als großes Ensembletheater inszeniert von Adrian Figueroa. Noch globaler spannt sich das Netz in „Gewässer im Ziplock“, einer Familiengeschichte von Dana Vowinckel zwischen jüdischer Tradition und deutscher Erinnerung, quer über Kontinente. Während „Der Großinquisitor“ von Dostojewskij die schmerzlich aktuelle Frage stellt: Wie frei ist der Mensch?

Immer wieder muss ich an einen Satz von Norbert Lammert denken, dem ehemaligen Bundestagspräsidenten. „Die Qualität einer freiheitlichen Gesellschaft erkennt man weniger darin, dass Mehrheiten entscheiden, man erkennt sie darin, wie eine Gesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht.“ Wir eröffnen die Spielzeit — diese Intendanz — mit „PRIDE“. Stolz in Großbuchstaben. Stolz als Antwort auf Scham, Scham von außen, von innen. „PRIDE“ des Autors und Regisseurs Falk Richter ist eine Feier des Lebens, des queeren Lebens, der Freiheit, Selbstbestimmung, der Farben, Lebensformen, Gefühle, eine Achterbahnfahrt, ein Spektakel aus Theater, Musik, Tanz, Film — eine programmatische Eröffnung, ein Fest der Vielfalt und, ja, Liebe. Aller Menschen.

Indem wir suchen, was verdrängt wurde und vergessen wird, auch Schmerz und Verletzungen, indem wir aufsuchen und aufzeigen und gemeinsam erinnern und erfahren, handeln wir solidarisch. Darin liegt die Hoffnung für unsere Gegenwart.

 

Wir beginnen in Hannover die Zusammenarbeit mit einigen der prägendsten zeitgenössischen Theatermacher*innen. Dazu zählt neben Falk Richter auch die israelische Autorin und Regisseurin Yael Ronen — mit ihren politisch-witzigen Inszenierungen mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen und ein Liebling des Publikums. In „Burn, Baby, Burn!“, einem Auftragswerk für unser Ensemble, wird sie einen brenzligen Bogen von Nero zu Trump spannen. Und der wegen seiner besonderen Bild- und Körpersprache international gefeierte japanische Autor und Regisseur Toshiki Okada widmet sich in „Wasted Away“ den Gefühlswelten von permanenter Bedrohung und Eskalation.

In unserem Ensemble werden Sie unterschiedliche Sprachen hören, Akzente, Dialekte. Manche sind auch Opernsänger*innen, manche auch Tänzer*innen, alle Persönlichkeiten.

Sie werden sie hoffentlich immer wieder neu entdecken. In packenden Schauspieler*innen-Abenden — wie „Wanja“, einer der herzerwärmendsten Tragikomödien menschlichen Daseins, vom britischen Autor Simon Stephens als Solo neu gedacht — für einen Spieler in acht Rollen. Oder auf einer musikalischen Theaterreise durch das bewegte Leben der Ikone, Diva, Feministin, Sängerin und Hollywoodpionierin Hildegard Knef: „Ich will alles — oder nichts!“ Oder in einer meiner Herzensaufführungen: „Das neue Leben“ von Christopher Rüping frei nach Dante Alighieri, Meat Loaf und Britney Spears: Wenn Theater glücklich machen kann, ehrlich berühren, ästhetisch beeindrucken, sogar trösten, dann dieser Abend. Von Bochum bis Shanghai begeisterte er Menschen jeden Alters. Must see!

In unserem Spielplan begegnet Ihnen viel Zeitgenossenschaft. In Stücken, die erst für und in Hannover entstehen, in Roman- und Filmstoffen, neuen Dramen.

Wir tragen unsere Geschichte, auch die Theatergeschichte, mit uns. Aber wir verorten uns im Jetzt. Theater ist stets und stetig Transformation, keine Vorstellung wie die vorherige, Theater ist live, life, das Leben, und das dreht sich weiter, Tag für Tag. In aller Ambivalenz. Von einer Sekunde auf die andere erschüttert ein Terroranschlag eine Stadt, ein Land, die Welt. Ist in Europa wieder Krieg. Stimmt der Bundestag nicht über die Abschaffung des § 218 ab. Oder vielleicht doch — und verändert das Leben von Millionen.

Die Schriftstellerin Sibylle Berg konstruiert in „Ein wenig Licht. Und diese Ruhe.“ einen Krieg zwischen den Steueroasen Liechtenstein und Luxemburg und entfesselt ein bitteres, gewohnt sarkastisches Nachdenken über aktuelle Aufrüstung. Ein anrührender Monolog, den wir in der Regie von Lena Brasch zur Uraufführung bringen — und damit die Cumberlandsche Bühne als regulären Aufführungsort wiedereröffnen.

Von den Rissen, die durch Familien und Freundeskreise gehen, wenn das Gespräch auf Rassismus, Gleichberechtigung oder ökologische Nachhaltigkeit kommt, handelt „Blind“, das neue Stück der meistgespielten niederländischen Dramatikerin Lot Vekemans — nicht ohne einen Funken Zuversicht. Und der Autor Jakob Nolte mixt in seinem Debütroman „Die Frau mit den vier Armen“, den wir zur Uraufführung bringen, Krimi und Gesellschaftssatire zu einem modernen Niedersachsen Noir, einem Kunstkrimi aus Hannover zwischen Ihme, Bahnhofskneipe, Opernhaus und Burgerladen mit traurigen Jungs, schroffen Ermittlerinnen, schüchternen Streifenpolizisten, ehrgeizigen Lokalreporterinnen, ehrabschneidenden Theaterregisseuren, mysteriösen Dating-Apps und Popsongs und Tattoos… Und wenn Ihnen jetzt ein wenig schwindlig ist, sind Sie bei Herbert Fritsch, dem Theatergesamtkünstler, der in Schubladen mit Aufschriften wie Turbo, Slapstick, Dada, Gaga auch nur unzureichend beschrieben ist, in bester Gesellschaft. Sein „Schwindel“ wird die Saison beschließen. Durchdrehen ausdrücklich erwünscht.

Theater atmet, es keucht und schwitzt, man kann die Schweißperlen sehen, man kann den Pulsschlag sehen und ihn im besten Fall auch spüren. In sich.

Junge Menschen haben übrigens einen höheren Puls. Aus anatomischen Gründen, ist aber auch eine schöne Metapher. Denn wir wollen Kinder und Jugendliche für Theater begeistern. Das Junge Schauspiel gehört zentral dazu, wir spielen für alle Menschen von 2 bis 99. Gleich am Eröffnungswochenende können Kindergartenkinder und alle, die das Staunen nicht verlernt haben, dem „Unsichtbaren Mann“ des vielfach ausgezeichneten Kindertheatermagiers Jetse Batelaan begegnen. Also, vielleicht. Denn er ist ja unsichtbar. Aber es gibt da einen Trick… Unser Familienstück „Die Schneekönigin“ erzählt ein kaltes Märchen mit warmem, leuchtendem Herz. In den Klassenzimmern der Region operieren zwei Abgesandte des Theaters an einer „DRuCK“-Apparatur, die allerhand Erlebnisse junger Menschen ausspuckt. Und „Deutsch, du Schuft!“ wird eine wilde Reise durch die Welt der Worte; denn Worte erschaffen Welten, bezeichnen Menschen, können Waffen sein und Identität stiften. Unter der künstlerischen Leitung von Cathrin Rose wird das Junge Schauspiel Hannover ein pulsierender Ort, ein Ort zum Mitmachen, ein Ort für modernes, ästhetisch ambitioniertes Kinder- und Jugendtheater, das Macht hinterfragt — und teilt.

 

Theater ist Utopie. Allerdings wird gerade vieles, was fortschrittlich errungen war, wieder infrage gestellt, zurückgedreht, abgeschafft.

Auch kulturelle Einrichtungen geraten unter Druck. Wie eine Welt aussähe, in der es unseren künstlerischen Reichtum nicht mehr gäbe, mag ich mir nicht vorstellen, auch wenn Sibylle Berg in ihrem Gastbeitrag für unser Spielzeitheft diese Dystopie in den blumigsten Worten ausmalt.

Die Polykrisen unserer Zeit — und der politische Backlash ist nur eine davon — nagen an uns. Wir wollen besser verstehen und konstruktiv mit der Weltlage umgehen. Das ist das Ziel der neuen Gesprächsreihe „Chronik der laufenden Entgleisungen“, moderiert von Catherine Newmark. Wir wünschen uns Dialog und Durchlässigkeit. Wir etablieren eine Stadtdramaturgie, die Communities und Theater zusammenbringt. Wir arbeiten weiter an Veränderung, auch unserer eigenen Strukturen und Programme. Die Reihe Universen legt seit 2019 einen Fokus auf unheard voices unserer Gesellschaft. Wir erweitern ihren Raum von der Cumberlandschen Bühne auf alle Räume des Theaters. Vision einer gelebten Realität, die radikal vielfältig ist, wie unsere Gesellschaft schon längst.

„Radikal vielfältig“ klingt revolutionär. Unlängst sprach ich mit einem scheidenden Spitzenpolitiker sozialdemokratischer Couleur, der mir sagte: „Ich habe keine Antwort auf den Rechtsruck, den Faschismus, diese wachsende Zustimmung und wie wir Menschen davon wieder abbringen. Vielleicht müssen wir uns wieder radikalisieren?“

Unsere Radikalität heißt Humanismus. In der Stadt von Hannah Arendt, Leibniz, Schwitters oder Düzen Tekkal sind wir damit in guter Gesellschaft.

Unser Widerstand gegen alles Nationalistische, Enge, Spaltende ist der Reichtum unserer Biografien, Formen, Sprachen und Ideen.

Unsere Antwort sind unsere Fragen. Unsere Alternative ist unsere Vorstellungskraft. Das Risiko, das wir gehen wollen, ist Liebe. Und wir wissen ja: No risk, no fun.

 

Ich wünsche mir, dass das Schauspiel Hannover Ihr Ort ist, Euer Ort.

Unsere Türen sind offen. Und unsere Herzen.

Ich spüre es pochen.