„Was ich begehre, das jage ich“
Mit „Folter und Tod, Glocken und Kanonen“ wollte Puccini in
Tosca erklärtermaßen sein Publikum aufschrecken. Er komponierte ein naturalistisch schockierendes Drama über die packenden letzten 24 Stunden im Leben der Sängerin Tosca – zerrissen zwischen ihrem Geliebten, dem Künstler Cavaradossi, und dem skrupellosen Machtmenschen Scarpia. Die Handlung kulminiert in einem Mord auf offener Bühne: In einer der berühmtesten Szenen des Repertoires ersticht Tosca ihren potenziellen Vergewaltiger. Doch auch sie und ihr Geliebter überleben das Ende der Oper nicht. Eine atemlose Handlung, ein Sex-and-Crime-Thriller, in den Puccini, der melodische Herzensbrecher, auch das Spiel der Verwechslung, den Betrug, die Täuschung, die Manipulation schrieb. Klangkontraste sind das realistische Läuten von Kirchenglocken, der Gesang eines kleinen Jungen, Toscas verzweifelt-inniges Gebet und Cavaradossis glühende Lyrismen in bekannter Puccini-Süße. Auch in
Tosca zeigt sich der Komponist als Meister der emotionalen Nervenreizung und somit als äußerst moderner Musiker und Vorreiter der Filmmusik des 20. Jahrhunderts.
Der russische Regisseur Vasily Barkhatov inszeniert an großen Häusern in Europa, u. a. in Berlin, Wien, Budapest, Frankfurt, Bregenzer Festspiele. Für ihn war die Neuinszenierung im Oktober 2019 weniger politisches Historiendrama als der Kampf zweier Alphamänner um eine starke Frau. In einer Welt, in der Kunst und Macht sich glamourös in der Öffentlichkeit begegnen, geht es in den Hinterzimmern um persönliche Begehrlichkeiten und Machtmissbrauch. Bühnenbildner Zinovy Margolin schuf für das moderne psychologische Beziehungsgefüge, in dem alle Täter auch Opfer sind, eine bildgewaltige Szenerie auf mehreren räumlichen Ebenen.
Die südafrikanische Sopranistin Pumeza Matshikiza, zuletzt in Hannover gefeierte Aida, kehrt in der Titelpartie zurück. Als Cavaradossi ist mit dem baskischen Tenor Andeka Gorrotxategi der Otello der Vorsaison zu erleben, als Scarpia der Venezolaner Gustavo Castillo. Die Musikalische Leitung übernimmt der Mailänder Dirigent Paolo Carigniani, eine weltweit gefragte Koryphäe des italienischen Fachs.