„Machen, machen, machen“

 

Mit der Komödie Der nackte Wahnsinn von Michael Frayn zeigen wir ein Theaterstück über ein Theaterstück. Dramaturgin Nora Khuon sprach mit Schauspielerin Florence Adjidome über den turbulenten Probenprozess.

 

Florence, du bist nach fast zehn Jahren zurück in Hannover und spielst jetzt in deiner ersten Produktion am Schauspiel Der nackte Wahnsinn. Worum geht es?

 

In dem Stück geht es um eine Gruppe von Schauspielerinnen und Schauspielern, also um Theaterschaffende, die gerade ein Stück proben und bei diesem Probenprozess verschiedene Hindernisse und Hürden erleben. Es ist eine Geschichte über ein Ensemble und dessen Höhen und Tiefen. Es geht vieles schief, und man lernt dabei das Leben der Spielenden „hinter den Kulissen“ kennen. Ich mache jetzt hier extra Anführungszeichen, weil es das stereotype Bild davon ist, wie man sich das Leben von Schauspielerinnen und Schauspielern vorstellt. Da liegt alles nebeneinander: Eifersucht, Neid, Liebe, Drama, die ganz großen Gefühle und natürlich Sardinen – Sardinen sind auch dabei.

 

Viele Sardinen und viele Türen! Erkennst du trotz der Typisierung Dinge wieder, die du aus deinem Alltag als Schauspielerin kennst, oder würdest du sagen, dass das sehr weit weg von dir ist?

 

Zuerst dachte ich schon, dass es sehr weit weg ist von dem, wie ich den Probenalltag bisher erlebt habe. Witzigerweise gibt es aber Situationen auf der Probe, in denen ich mich wiedergefunden habe. Diese Momente gibt es, auch wenn man es selbst nicht recht wahrhaben will!

 

Das ganze Stück sammelt Missgeschicke, Unfälle, Pannen aller Beteiligten und …

 

… und gleichzeitig retten die Beteiligten die Situation immer. Das geht ja gegen die Berufsehre, dass man sagen würde, „wir lassen das jetzt“, oder dass man die Panne offenbart. Durch solche Situationen muss man sich als Schauspielerin auf jeden Fall durchkämpfen. So etwas passiert uns ja auch im wirklichen Leben. Vielleicht nicht in dem Maße wie im Nackten Wahnsinn. Hier ist es extrem überspitzt. Aber dass eine Kollegin oder ein Kollege einen Texthänger hat oder sich verhaspelt, Sachen nicht klappen, das kenne ich natürlich. Dann ist man füreinander da. Das ist das Schöne, dass wir auf der Bühne nicht alleine sind, dass wir aufeinander reagieren und uns auch gegenseitig retten können. Das ist die Verabredung. Aber natürlich gibt es auch diese Momente, wo das aus irgendwelchen Gründen nicht passieren kann, und dann muss man wirklich wach und kreativ sein und sich irgendwie rauslavieren. Das ist aber auch etwas, was Spaß macht an dem Beruf. Theater lebt von diesem Moment. Jederzeit kann alles schiefgehen, die reale Begegnung bringt immer ein Risiko mit sich.

 

Ihr probt zwar noch nicht so lange, aber hast du trotzdem schon eine Lieblingsstelle im Nackten Wahnsinn?

 

Es gibt schon eine Stelle, die mag ich sehr. Bestimmt kommen noch mehr dazu! Aber wenn dieser Bente hinter der Bühne „allmächtiger Gott“ ruft und die Frau Kallax das aufnimmt und auf der Bühne auch „allmächtiger Gott“ ruft und so tut, als wäre da niemand sonst, um zu kaschieren, dass ihr Kollege hinter der Bühne so laut ist, das mag ich sehr. Ich freue mich immer, wenn die Stelle kommt und ich gerade in der Nähe bin. Ich muss kurz schmunzeln und dann geht es weiter. Aber da werden noch mehr Lieblingsstellen dazukommen, denke ich. Momentan ist es noch eine Bastelarbeit. Es gibt viele Verabredungen zu klären, es ist eine regelrechte Choreografie. Ich habe große Lust darauf, diesen Abend zu spielen. Wenn es mal läuft, macht es sicher großen Spaß. Ich freue mich auf jeden Fall schon sehr darauf!

 

Du hast gerade beschrieben, dass es viele Verabredungen gibt. Das erinnert schon ein wenig an eine Maschine mit sehr vielen Rädern, Schrauben und Federn. Ist es anders als bei anderen Stücken?

 

Ja, total, es ist komplett anders. Ganz verrückt! Hier die Axt und da der Kaktus, da der Regenmantel und zwischendurch klappen die Türen. Diese Verzahnung gibt erst mal ein sehr enges Korsett vor. So etwas habe ich in der Form noch nicht gespielt. Alles muss präzise und hoch konzentriert sein, fast noch mehr als bei anderen Stücken, wo es um psychologische Tiefe geht, wo Dinge im Moment entstehen können, wo etwas immer anders sein kann – für so etwas hat dieses Stück keinen Platz! Hier geht es um Schnelligkeit und Präzision und darum, die Energie hochzuhalten. Das ist hierbei die Herausforderung. Es gibt keine Zeit zu denken. Es geht darum, sehr schnell zu reagieren. Machen, machen, machen. Fragen und ergründen muss man da nicht viel als Spielerin. Man erlebt es beim Spielen. Beim Zuschauen ist das hoffentlich lustig!

 

Du bist auch eine Heimkehrerin. Du hast schon einmal in Hannover gelebt – wann war das und was hast du hier gemacht?

 

Ich habe in Hannover von 2010 bis 2014 gelebt und Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien studiert.

 

War es schön für dich, wieder zurückzukehren?

 

Das Studium war eine intensive und sehr besondere Zeit für mich. Es prägt sehr die Art und Weise, wie ich geworden bin. Wenn ich das nicht gemacht hätte, hätte ich wahrscheinlich ein anderes Leben gelebt. Ich wohne jetzt wieder in dem Viertel, wo ich damals gewohnt habe. Die Stadt ist mir vertraut. Ich kenne ihre Atmosphäre. Trotzdem ist es für mich natürlich etwas anderes als im Studium. Meine Rolle ist ja auch eine andere.

 

Wo warst du in der Zwischenzeit?

Vor allem war ich in Hamburg am Jungen Schauspielhaus. Dort habe ich im
letzten Jahr des Studiums begonnen zu arbeiten. Sonst habe ich auch in Göttingen gastiert und in der vergangenen Saison in Saarbrücken und in München. Ich habe so ein bisschen Deutschland kennengelernt. In Amerika habe ich aber noch nichts gemacht!

 

Das kommt noch, nach Hannover!

 

Genau, nach Hannover geht es zum Broadway.

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