von Marius Goldhorn

 

16.03.2020

 

was sollen wir heute machen

nichts mit menschen

wir gehen nach oben

da ist niemand

die quarantäne beweist mir dass ich für eine sieben monatige mars expedition bereit bin

ich stehe zur verfügung

julian assange war sieben jahre lang in einer wohnung

julian assanges gesichtsfarbe bei seiner festnahme war erstaunlich

erinnerst du dich an den kranken salamander in dem terrarium

die sonne scheint

ich bin mittelmäßig deprimiert

ich werde meine aggressionen nicht an dir auslassen

menschen in jogginghosen bei facetime konferenzen

unpräzise worte wie künstler

unpräzise worte wie isolation

das wetter

ich kotze

die quarantäne beweist mir dass ich für sieben schweigemonate um eine religion zu finden bereit bin

ich werde mir genau überlegen wann ich aufstehen soll

ich schlage gegen eine wand

ich härte meine hände ab

leben in amerika

ihr älterer sohn war schon als kind verstorben, damit die götter den eltern nicht noch einen sohn nehmen werden, gaben sie bruce lee den mädchennamen sai fon, um die götter auszutricksen

denkst du jetzt ist der richtige zeitpunkt, die erde zu verlassen?

wenn ich jetzt sterbe

wer will meinen körper

niemand beansprucht meinen körper

wer löscht die newsletter

niemand wird meinen körper haben wollen

aber irgendjemand wird flüstern

ich glaube an die möglichkeit der völligen erneuerung der welt

ich weiß es nicht

es ist mir egal

das ist nicht das gedicht, das ich schreiben wollte

 

 

17.03.2020

 

diese unbehandelten früchte

müssen wir im größten supermarkt des landes kaufen

ich will etwas, das nach drachen schmeckt

wenn alles wieder normal ist

es ist schwer, das leben

sagt der moderator

du weist auf die funktion des radios in zeiten der isolation hin

ich schreibe einfach weiter

für irgendeinen fall

ich schreibe einfach weiter

bis wir wieder rausdürfen

ich will nicht teil eines neuen biedermeiers sein

denke ich in die gute stadtluft

du findest in der hintersten ecke des schrankes

noch eine letzte packung tagliatelle

jetzt vermisst du mich nicht mehr, sagst du

überall, wo ich dich vermisse

finde ich dich, denke ich

 

19.03.2020

 

eine völlig andere geschichte

unter neonreklame essen wir fledermaussuppe

neben uns schweißt eine frau ein gitter

uns geht es gut

vor einer weile habe ich gesagt

der einzige ort

der mir noch sicher scheint ist das meer

vor einer weile hast du gesagt

die arten, die ins wasser zurückgegangen sind,

scheinen unendlichen spaß am leben zu haben

 

 
Illustration: Laura Robert
 

 

*

 

Marius Goldhorn wurde 1991 geboren. Am 06.04.2020 erschien sein Debütroman Park als eBook, im Juni als Buch in der edition suhrkamp und im Juli sein erster Gedichtband im Korbinian Verlag.

 

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