Mohamed Achour findet sich auf einer Probebühne ein. Das Vorsprechen beginnt. Doch seine Interpretation von Hamlet scheint die Theaterleitung nicht zu interessieren. Sie wünscht sich etwas Modernes, Welthaltiges und Mohamed weiß schon, was sie damit meint: ein Flüchtlingsdrama, real und authentisch. In der Tradition von Tausendundeine Nacht beginnt er zu erzählen. Von der schönen Stadt Damaskus, in der er aufgewachsen ist, von seiner behüteten Kindheit, die plötzlich ein jähes Ende nimmt. Und von Casablanca. Während er erzählt, gehen Erinnerung und Legendenbildung immer neue Verbindungen ein.

 

Wir haben uns mit Mohamed Achour zum Interview über seinen Soloabend Mohamed Achour erzählt Casablanca getroffen.

 


Mohamed Achour erzählt Casablanca
Foto: Tomas Wild

 

Mohamed Achour, wie erzählt man eine Stadt?

 

Das weiß ich nicht. Wir erzählen ja eher einen Film als eine Stadt. Aber es werden ziemlich viele verschiedene Städte vorkommen: Damaskus, Aleppo, Casablanca, Frankfurt, München, Leipzig und auch Köln.

 

Und was würde Mohamed Achour über Hannover erzählen?

 

Ich glaube, er würde Hannover als eine Art Utopia darstellen. Es gibt den ersten grünen Bürgermeister, noch dazu mit Migrationshintergrund. Die Hannoveranerinnen und Hannoveraner sind glücklich und zufrieden, gelassen und entspannt. Sie halten sich an die Regeln des sozialen Miteinanders und gehen zu Psychologinnen und Psychologen und Rolfing Practitioners, um ihre Defizite wegzutherapieren. Alle kommen bestens miteinander aus. Sollten Sie allerdings mit Ihrem Auto drei Minuten vor der falschen Einfahrt halten, dann kann es Ihnen passieren, ein wild gewordenes Exemplar der hannoverschen Spezies vor die Nase zu kriegen – und das wünsche ich wirklich keinem!

 

Wie oft haben Sie den Filmklassiker Casablanca gesehen?

 

Gar nicht so oft. Wir haben viele Gespräche geführt, Regisseur Rafael Sanchez, der Autor Eberhard Petschinka und ich. Ich glaube, die beiden kennen den Film sehr viel besser. Casablanca ist eher eine Folie, auf der wir meine reale Lebensgeschichte erzählen und wie ich nach Deutschland gekommen bin, um Schauspieler zu werden.

 

Ihre Lieblingsszene aus dem Filmklassiker?

 

„A couple comes in the front door. They are Victor Laszlo the czech resistant leader and a very pretty young woman, wearing a simple white gown, Miss Ilsa Lund. She is so beautiful, in fact, that people turn to stare.“

 

Ihr Lieblingszitat aus dem Filmklassiker?

 

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Humphrey Bogart ist für mich ...

 

… weniger wichtig als Ingrid Bergmann. Zumindest im Bezug auf unseren Abend.

 

Wie haben Sie Ihr Vorsprechen in Hannover in Erinnerung?

 

Sehr gut. Allerdings war das in Berlin.

 

Gibt es ein persönliches, schrecklichstes oder peinlichstes Vorsprecherlebnis – wenn ja, welches?

 

Mein wichtigstes Vorsprecherlebnis erzähle ich leider schon in Mohamed Achour erzählt Casablanca. Das kann ich jetzt nicht spoilern.

 

Lieber Soloabend oder Ensemblestück?

 

Ich habe ja bisher erst einen Soloabend gemacht und den habe ich bis jetzt so um die 40-mal gespielt. Das ist schon eine sehr besondere Situation, die mir extrem viel Spaß macht, aber auch viel Kraft und Konzentration kostet. Geht‘s schief, ist da niemand, auf den man es schieben kann. Also außer auf die Regie. Das geht immer. Die Frage „entweder Soloabend oder Ensemblestück“ stelle ich mir aber im Grunde nicht. Beides natürlich!

 

Ihr Lieblingsmärchen?

 

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

 

Ihr aktueller Sehnsuchtsort?

 

Weiß ich nicht. Mein Sehnsuchtsort ist auch grad nicht so wichtig. Was im Moment wirklich wichtig wäre: eine internationale Lösung für den Syrien-Konflikt. Im Moment sind dort knapp 800 000 Menschen auf der Flucht. Das ist mehr, als zu jedem anderen Zeitpunkt in diesem Krieg. Das ist eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes, vor der wir die Augen verschließen, weil wir einfach nicht mehr hinsehen können. Was gab es nicht schon alles in diesem Krieg: die Belagerung Aleppos, die Giftgasangriffe in Ghouta, den Kampf um Kobane und Raqqa, Massenhinrichtungen im Militärgefängnis Sadnaja, die Zerstörung des kulturellen Erbes in Palmyra und anderswo, den IS, Al Quaida, jetzt Idlib. Die Opferzahlen belaufen sich auf zwischen 380 000 und knapp 600 000 Menschen! Syrien ist ein Schauplatz geostrategischer Interessen geworden und es wäre an der Zeit, dass dieses Land endlich zur Ruhe kommt.

 

Interview: Sönke Behrens

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