Ein Gespräch mit Alrun Hofert und Marleen Wolter
über Furien des Erinnerns
Marleen Wolter und Alrun Hofert
Hannes Oppermann: In Furien des Erinnerns beschäftigt ihr euch mit fast vergessenen Künstlerinnen. Was war die Initialzündung für diese Stückentwicklung?
Marleen Wolter: Wir bemerkten, dass wir bei der Frage „Welche Vorbilder sind uns in unserem Werdegang als Künstlerinnen begegnet?“ kaum an Frauen denken. Das war erst mal ein sehr trauriger Tag. Daraufhin fragten wir uns: Wie funktionieren Erinnerungen? Welche Mächte schreiben uns Geschichten in die Köpfe ein? Wie erzählen wir von Personen, von denen wir wollen, dass sie weiterhin im öffentlichen Bewusstsein bleiben? Wir stießen in unseren Recherchen auf die deutsche Mitbegründerin des New Yorker Dada, Elsa Freytag von Loringhoven (1874 -1927). An ihr wird ganz plastisch, dass nicht nur vergessen wird, sondern dass Geschichte anscheinend von einer patriarchalen Vorteilsmacht mitgeschrieben wird und dass die Erwähnungs- und Lobekartelle unter Männern bis heute wirkmächtig sind.
Hannes Oppermann: Wie verändert das euren Blick auf (Kunst-) Geschichte?
Alrun Hofert: Ich glaube, es ist wichtig zu kritisieren, wie Geschichte geschrieben wird und wie wir sie heute erzählen. Um das sichtbar zu machen, erzählen wir aus dem Leben von acht Frauen, wie zum Beispiel Musidora, einer begnadeten Schauspielerin, die mit ihrer Darstellung als Banditin und Vampir beeindruckte und Inspiration für Catwoman war. Oder die erwähnte Elsa, auf die ein Schlüsselwerk moderner Kunst zurückgeht (fountain von 1917), das lange Jahre fälschlich nur mit Marcel Duchamp verknüpft wurde.
Hannes Oppermann: Wie kann ich mir das vorstellen, was ihr gerade auf den Proben macht?
Alrun Hofert: Aktuell sitzen wir viel zusammen und reden über die Biografien und Kunst der Frauen. Wenn jemand eine Idee hat, springen wir auf die Bühne und probieren das aus. Und dann halten wir uns gegenseitig Lecture-Performances, in denen wir die Geschichten der Künstlerinnen vertiefen.
Marleen Wolter: Wir arbeiten mit Ritualen, Spielformaten, Witzen und Ohrwürmern.
Alrun Hofert: Oh ja, und wir singen auch.
Marleen Wolter: Wir haben Sailor Moon für uns entdeckt.
Hannes Oppermann: Warum Sailor Moon?
Marleen Wolter: Weil eine von uns mit dieser Serie einen prägenden Girlpower-Moment ihrer Kindheit verbindet; die Erfahrung, dass Mädchen bzw. junge Frauen wehrhafte Heldinnen sind, die in einem Mädchenkollektiv aus ganz verschiedenen Identifikationsfiguren gegen das Böse kämpfen. Und die Titelmelodie ist ein Ohrwurm, der uns seit Kindertagen geläufig ist. Das Prinzip vom Ohrwurm ist eine von mehreren Strategien, wie wir Gedanken in den Kopf einpflanzen und sie dort verankern können.
Hannes Oppermann: Wie würdet ihr in einem Satz beschreiben, was die Zuschauenden an diesem Abend erwartet?
Marleen Wolter: Man wird vier Frauen sehen, die sich zwischen humoriger Feierlaune und furienhafter Dringlichkeit versammeln, um die Kunstgeschichte in ihren eigenen Köpfen und in denen der Zuschauenden zu befragen.
Alrun Hofert: Das Glück dieses Abends ist, dass wir Künstlerinnen aus verschiedenen künstlerischen Genres porträtieren. Kunst, auf die wir alle Megalust haben. Man wird einen sehr lustvollen, schönen, freudvollen und gleichzeitig intelligenten, nachdenklich stimmenden Abend erleben.
Marleen Wolter: Wir werden auch in Kontakt treten mit dem Publikum ...
Alrun Hofert: … aber das darfst du jetzt nicht reinschreiben, weil sonst kommen sie ja nicht …
Marleen Wolter: ... unter charmanten Umständen. Auch persönliche biografische Momente wird es geben …
Alrun Hofert: Na dann. Kommt!
Marleen Wolter: … und, unvermeidlich, Gugelhupf nach Katharina Schratt!