Beim Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb 2021 erhielt Javier Comesaña den Preis des Niedersächsischen Staatsorchesters. Der junge spanische Geiger, 1999 in Sevilla geboren, polarisierte und begeisterte das Publikum. Im Interview spricht er über das große Violinkonzert Nr. 1 von Dmitri Schostakowitsch, mit dem er im 7. Sinfoniekonzert: Virtuoso das ganze Ausdrucksspektrum seines Spiels präsentieren wird:

 

Wie hat sich Ihr Berufsleben seit Ihrem Erfolg beim Internationalen Joseph Joachim Violinwettbewerb Hannover 2021 verändert?

 

Meine Teilnahme am Joseph Joachim Wettbewerb öffnete mir viele Türen, insbesondere dank der Konzertengagements, die mir viel Erfahrung, Wissen für die Zukunft, Emotionen boten … Kurz gesagt, der wertvolle erste Schritt für ein mögliches Konzertleben in Deutschland.

 

Was bedeutet es für Sie, fast zwei Jahre später wieder in Hannover auf der Bühne zu stehen?

 

Es ist eine Ehre und eine Verantwortung zugleich, denn ich habe das Gefühl, dass ich (durch mein Spiel) Hannover alles zurückgeben möchte, was die Stadt mir bietet.

 

Was sind die Herausforderungen oder Besonderheiten von Dmitri Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 1?

 

Das Erste Violinkonzert von Schostakowitsch ist meiner Meinung nach ein extremes Stück, vor allem im emotionalen Bereich. Es gibt zwei herausragende Episoden tiefer Selbstbeobachtung: den ersten Satz (Nocturne genannt) und die Kadenz (übrigens zwischen dem dritten und vierten Satz platziert, was man bei einem Violinkonzert definitiv nicht erwarten kann). Es gibt zwei dämonische Tänze: das Scherzo (2. Satz) und die Burleske (4. Satz), voll bissigem Sarkasmus, fantastisch polyphoner Komposition und einer obsessiven Präsenz Schostakowitschs musikalischer Signatur, des DSCH-Motivs (wenn ich gut gezählt habe, erscheint es 18 mal im Scherzo).

 

Und dann der dritte Satz: die Passacaglia, die für mich einer der niederschmetterndsten Sätze des Violinrepertoires ist. Im Kontext eines Trauerzuges entspringt die Violinstimme der intimsten Trauer und dringt nach und nach, eine Variation nach der anderen, nach außen, bis sie in eine enorme Verzweiflung übergeht und einen wahrhaft erschütternden Höhepunkt erreicht. Wenn die Prozession schließlich verschwindet, wendet sich die Musik wieder zur einsamen und intimen Seite, die sich nach so viel emotionaler Intensität unbeschreiblich berührend anfühlt und die Kadenz auf meisterhafte Weise vorbereitet.

 

Dieses Stück hat auch eine eigene geigerische Sprache, und für die Annäherung an bestimmte künstlerische Ideen kann man einige Techniken verwenden, an die man bei vielen anderen Violinkonzerten nie denken würde.

 

David Oistrach verglich die Violinpartie im Schostakowitsch-Konzert mit der gut zu vermittelnden Rolle eines Schauspielers. Sind Sie mit dieser Assoziation einverstanden?

 

Tatsächlich war Schostakowitsch selbst meiner Meinung nach eine Art Schauspieler. Er komponierte das Konzert zwischen 1947 und 1948, in einer Zeit harter Unterdrückung gegen die so genannten Formalisten. Das ständige Leben unter Verdacht (und die Angst und Unsicherheit, die ihm diese Tatsache einbrachte), obwohl wir nie genau seine Empfindungen in dieser Situation wissen werden, zwangen ihn wahrscheinlich dazu, viele seiner Gedanken und Gefühle zu verbergen. Und das spiegelt sich unweigerlich in seiner Musik wider. Auf der anderen Seite ist es das, was Schostakowitschs Persönlichkeit für uns so rätselhaft und interessant macht.

 

Sie spielen derzeit die Guadagnini-Geige der Fritz-Behrens-Stiftung, die Sie auch als Leihgabe beim Joseph Joachim Violinwettbewerb gewonnen haben. Wie beeinflusst ein solches Instrument die persönliche Entwicklung als Geiger?

 

Ein großartiges Instrument ist wie ein großartiger Lehrer: Von ihm lernt man viele Dinge, die man in Zukunft mit anderen Instrumenten verwenden kann, sowie viele spezifische Dinge über die Geige selbst. Was ich an dieser Guadagnini am meisten schätze, ist ihr großartiger Klang und die vielen Möglichkeiten, die Klangfarben, die sie bietet, zu erkunden. Ich bin sehr dankbar für die großzügige Leihgabe der Fritz-Behrens-Stiftung und ihres Präsidenten Matthias Fontaine und freue mich auch sehr, nach Hannover zu kommen und hier zu spielen, damit er mir bei einem Live-Konzert mit dieser Geige zuhören kann.

 

7. Sinfoniekonzert: Virtuoso

Sonntag, 11.06.2023, 17:00 Uhr
Montag, 12.06.2023, 19:30 Uhr

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