„Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“
Aida, eine Sklavin, und Amneris, ägyptische Königstochter, lieben beide denselben Mann: Radames, der vom Oberpriester Ramphis und dem König als Heerführer beim bevorstehenden Feldzug gegen Äthiopien ausersehen ist. Radames träumt davon, als Sieger zurückzukehren und mit Aida vereint zu sein. Amneris ahnt, dass Aida ihre Rivalin ist. So nimmt die Geschichte ihren Lauf, die Giuseppe Verdi im Auftrag des ägyptischen Vizekönigs und nach eigenen Recherchen am Schauplatz 1870 geschrieben hat. Nähme man dieser Handlung alles, was auf Ägypten verweist, bliebe nicht mehr viel übrig, das Allerweltsgerüst eines Dramas.
Aida profitiert weniger von seiner Handlung, als ihrem opulenten, ja spektakulären Setting und Drumherum. Verdi tischte dem Publikum so ziemlich alles auf, wofür das „Land der Pharaonen“ heute noch berühmt und berüchtigt ist: Königspaläste, Tempel, Nilgewässer, Palmen und Statuenkolosse, Könige, Göttinnen, Tempelsänger:innen und Prinzessinnen, Monumentalität und Archaik soweit das Auge reicht.
Aida ist, um es in anderen Worten zu sagen, von Klischees befallen wie kaum ein anderes Werk der Operngeschichte – und dadurch reichlich kontrovers. Während die einen sie als Verdis „schönste“ Oper betrachten mit blumigen Bildern, umwerfenden Melodien, satten Chören, wahren Gassenhauern, ist sie für andere das fragwürdige Relikt einer Zeit, die mit Kolonialismus, Exotismen und kultureller Aneignung am Bein der europäischen Gegenwartskultur wie ein belastender Klotz klebt.
Regisseur Kay Voges hinterfragt, was überhaupt „echt“ ist an dieser beliebten Oper und welche Rolle plakative Nachahmung und „Falschheit“ in der Kunst, im Theater spielen – und warum wir sie brauchen. In einem Mise en Scène-Rahmen und mit Live-Videos spielt er mit unseren heutigen Erwartungen an das Werk und seinen – unseren – Widersprüchen.