Schauspiel

Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert

von Sivan Ben Yishai
Deutsch von Gerhild Steinbuch

Gewinnerstück des Mülheimer Dramatikpreises 2024

Uraufführung

ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

Termine und Karten

Für diese Produktion sind leider derzeit keine weiteren Termine geplant.

„wie lange hält man es aus, unsichtbar zu sein, stumm, abseits der macht?“
Zuerst ist dies die Geschichte eines Hauses. Eines Konstrukts. Es ist unser Haus. Aber es gehört uns nicht. Wir leben hier, wir dienen hier, wir dienen unserer Hausherrin. Kennen Sie sie überhaupt? Nora. Bei jeder Aufführung warten wir, bis sie es geschafft hat, sich zu emanzipieren, ihren Mann zu verlassen und die Tür hinter sich zu schließen. Dann endlich können wir unsere Schürzen ausziehen und hoffen, dass wir den letzten Bus bekommen – wer kann sich schon ein Taxi leisten? Ihre Geschichte wurde unzählige Male inszeniert, doch eine Sache scheint sich nie geändert zu haben: wir. Seit Jahrhunderten stehen wir vor Ihnen, doch Sie kennen uns noch immer nicht. Oder wissen Sie, wer Anne-Marie ist? Haben Sie mitbekommen, wie viel Geld der Paketbote bekommt und wie viel der Schauspieler, der ihn spielt? Dieser Abend wird keine weitere Überschreibung der Geschichte unserer Chefin werden, nicht noch eine. Wie wir schon sagten: Als Allererstes ist dies die Geschichte eines Hauses. Unseres Hauses.
Die preisgekrönte Autorin Sivan Ben Yishai schreibt eine Meditation über Ibsens Nora, über das Puppenhaus – aber auch das Herrinnenhaus. In der Spielzeit 2022/23 inszenierte bereits Julia Wissert in Hannover ihr Stück Liebe / Eine argumentative Übung.
Regisseurin Marie Bues wird das Auftragswerk inszenieren. Seit der Spielzeit 2023/24 ist sie neben ihrer Regietätigkeit auch Leiterin des Schauspielhauses Wien und hat sich in besonderer Weise der Erarbeitung zeitgenössischer Stoffe verschrieben. In Hannover inszenierte sie Thomas Koecks Antigone-Überschreibung und die Klimatrilogie, Kevin Rittbergers Wir sind nach dem Sturm und Wolfram Lotz' Die Politiker. Sivan Ben Yishai und Marie Bues verbindet eine lange und intensive Arbeitsbeziehung.

Sivan Ben Yishai gewinnt den Mülheimer Dramatikpreis 2024
Für ihr Stück Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert wurde Sivan Ben Yishai mit dem Mülheimer Dramatikpreis 2024 ausgezeichnet. Der Preis ist mit 15.000 Euro dotiert. Gezeigt wurde bei den 49. Mülheimer Theatertagen die Uraufführung des Schauspiel Hannover in der Regie von Marie Bues. Das Stück sei ein „knapp, elegant und treffend“ geschriebener „großer Anklagetext“. Er spielt die Themen Klassismus und intersektionaler Feminismus am Beispiel der Institution Theater durch. Dabei beweise Ben Yishai ihren „genialen Riecher für böse Drehs“. Sie zeige, wie sich Begriffe oder Kategorien wie Feminismus und Leistung im Diskurs wenden lassen. Der Text sei „auf extrem vielen Ebenen aufregend, ungewöhnlich und aufbauend“.

Regie Marie Bues
Bühne Katja Haß
Licht Hendrik Möschler
Bewegung Bahar Meriç
Dramaturgie Nora Khuon


Thorvald Cino Djavid
Christine Florence Adjidome
Annemarie Irene Kugler
Paketbote Torben Kessler

Inhaltshinweis
Um Sie bestmöglich auf Ihren Besuch vorzubereiten, haben wir zu unserer Inszenierung von Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert ein paar Inhaltshinweise für Sie zusammengestellt. Die unten gelisteten Elemente sind so objektiv wie möglich erfasst worden, dabei kann jedoch kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden.

Thematisierung von:
- Klassismus

Sensorische Reize:
- starke und schnelle, teils flackernde Lichtwechsel
- durchgängige Soundkulisse mit variierender Lautstärke, u.a. laute basslastige Musik
- einmaliger Einsatz von Bühnennebel

Warum informieren wir über sensible Inhalte?
Jede:r von uns bringt individuelle Erlebnisse und Erfahrungen zu einem Theaterabend mit, jede:r erlebt das Dargestellte unterschiedlich. Bestimmte Themen, Darstellungen oder sensorische Reize können überfordernd, belastend, verletzend oder retraumatisierend sein. Informationen zu sensiblen Inhalten sollen betroffenen Personen als Hilfestellung dienen, um sich auf einen Vorstellungsbesuch vorzubereiten und selbstbestimmt zu entscheiden, ob sie sich mit den genannten Inhalten und Darstellungen auseinandersetzen wollen.

Hannoversche Allgemeine Zeitung

„Ein Klassiker wird durchgelüftet, (…) Themen wie Diversität, weiße Privilegien und intersektionaler Feminismus werden touchiert, von Ben Yishai und Regisseurin Marie Bues aber mit hinreißender Leichtigkeit verhandelt. (…) Denn dies ist eben auch die Geschichte eines Hauses, das für ein patriarchales System steht. (…) Eine Utopie wird greifbar aus Gleichberechtigung und Nächstenliebe.“

Neue Presse

„Dies ist die Geschichte eines Hauses, betonen sie auf der Bühne immer wieder, und die vielfach ausgezeichnete Dramatikerin Sivan Ben Yishai kriecht in dieser Auftragsarbeit für das Schauspiel Hannover noch in die letzten Winkel, inspiziert Ecken und Kanten, wirbelt Staub und Muff auf. (…) Florence Adjidome ist (…) auch die Stimme der Autorin, die das ganze Konstrukt infrage stellt und am Ende auf den Trümmern der Vergangenheit tanzt.“

Die deutsche Bühne

Sivan Ben Yishai (…) gibt (…) den kleineren Figuren eine Stimme und stellt auch das System des Theaters in Frage. (…) Regisseurin Marie Bues nähert sich einer Sozial- und Politrevue. (…) Birte Leest und Cino Djavid brillieren als zynische, einzig ihr Selbst kennende Titelfigur und nonchalant-abgefeimter Helmer. Vereint erlangen Nellie Fischer-Benson, Tabitha Frehner, Torben Kessler, Irene Kugler und Sebastian Nakajew proletarisch-klassenkämpferisches Bewusstsein. Der Utopie zugewandt entledigt Florence Adjidomes Christine sich bürgerlicher Werthaltungen.

Der Freitag

„Ein Text voller grandioser Sätze und satter Sprache. (…) Das alles ist ein wenig absurd, ein wenig lustig, ein wenig überdreht – gerade auch, weil die Sprachspielerin Ben Yishai sich in Hochform zeigt. (…) Andererseits schlägt die Inszenierung eine Alternative vor: Raus mit dem alten Kram (…) Das ist zwar nicht neu und schon gar nicht radikal – aber immer wieder wert, wiederholt zu werden.“

Deutschlandfunk Kultur

„Die Arbeit hat unglaublich viele interessante Aspekte, sie ist sehr vielschichtig. Es ist die Figur der Nora, die sich rechtfertigen muss, die ihre Rolle als Arbeitgeberin überdenken muss. Das ist total spannend. (…) Es geht darum, diese alte Version von „Nora“ zu deinstallieren, von daher ist es keine Überschreibung, sondern es geht darum, wirklich einen Nährboden zu schaffen für eine neue Geschichte.“

SWR2

„Hier hat sich die israelische Dramatikerin Sivan Ben Yishai erst einmal vorgenommen zu zerstören. Sehgewohnheiten, Figurengewichtungen, Ausbeutung und Unterdrückung – Wokeness. (…) Temperamente, Thesen und Trends wechseln in Stück und Inszenierung flott. (…) Die acht Schauspieler feuern die schnellen, schneidigen, oft hoch komischen Sätze heraus und rennen unablässig an gegen den Stoff.“

Theater heute

„Sivan Ben Yishai rechnet ohne kleinliche Kompromisse mit Autor, Stück, Titelfigur, deren weißem Feminismus und Klassismus ab. (…) Anderthalb Stunden balanciert die Inszenierung geschickt zwischen Farce und gerechter Empörung. (…) Das erkennbar gutbürgerliche Hannoversche Premierenpublikum zeigte sich vom Bühnenumsturz hochbegeistert.“

Programmheft zu "Nora oder Wie man das Herrenhaus kompostiert"
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