Ein Magazin über Autonomie und ganz viele schöne Dinge, die damit zusammenhängen

 

Autonomie wird landläufig schnell als ein individuelles Gut markiert, als eine Art Unabhängigkeits- und Freiheitsstreben bei dem die Strebenden - wenn’s denn gelingt - bei sich und ihrem eigentlichen Selbst ankommen. Doch warum erscheint diese Form absoluter Selbstbestimmtheit erstrebenswert? Ist der Mensch dann am meisten er selbst, wenn er losgelöst von allem und jedem, ganz auf sich selbst zurückgeworfen ist? Ist er nicht vielmehr ein Beziehungswesen, gebend und empfangend, in Netzwerke eingebunden, mal kooperativ, mal feindlich als ein Solitär im eigenen Universum? Und gibt es Autonomie überhaupt als ein Absolutes, steht sie nicht immer in Relation zu etwas? Und wenn das so ist, was ist mit der Autonomie von Gruppen, Gemeinschaften, Kollektiven? Wir wollen über Autonomie jenseits der Selbstbezüglichkeit nachdenken, sie neu entwerfen, befreien und befüllen, den Punkt suchen an dem die Autonomie beginnt oder wo sie einmal lag, ganz David Graeber und David Wengrow folgend, die in ihrem grandiosen Buch über eine alternative Geschichte der Menschheit schreiben: „Das wirkliche Rätsel ist nicht, wann erstmals Häuptlinge oder Chefs oder sogar Könige und Königinnen auf der Bildfläche erschienen, sondern ab wann es nicht mehr möglich war, sie einfach durch Gelächter zu vertreiben.“ (Graeber, Wengrow Anfänge 2022)

 

In der ersten Hälfte dieses Jahres gingen wir in einer Veranstaltungsreihe gemeinsam mit der Philosophin Eva von Redecker, der Psychotherapeutin Lucía Muriel, dem Künstler und Podcaster Jan Groos, der Autorin Şeyda Kurt und dem Autor und Regisseur Kevin Rittberger, der Initiator und Gastgeber der Abende war, schon diesen Fragen nach. Liebe, Politik, Kunst dienten hierbei als Landschaften, die wir schon bestaunt haben oder noch bestaunen wollten, vor denen wir aber auch schon mächtig erschrocken sind. Von diesem Projekt infiziert fingen wir an mit noch mehr Menschen über die Frage Autonomie zu sprechen, nachzudenken und zu schreiben. Es ging darum für eine Neuformulierung der Liebe und des Beziehungswesens zu plädieren - denn was ist die Liebe schon anderes als politische Praxis im Kleinen – aber auch die Frage, was passiert, wenn wir uns herrschaftsfreie Räume erträumen, die sich jenseits kapitalistischer Praxis verorten und die einen Glauben an das menschliche Handeln formulieren. Wie wäre es, wenn wir pflegten statt beherrschten, regenerierten statt ausbeuteten, teilhätten statt verwerteten? Relationale Autonomie war hierbei ein Vorstoß Autonomie als Kooperation zu denken und das System des Wettbewerbs, Eigentums und der Vereinzelung aufzulösen. Die Gespräche der Reihe sind nun in dieser Ausgabe in verkürzter Form versammelt, ebenso Auszüge aus Kevin Rittbergers Essay Die Zärtlichkeit ausweiten. Zudem haben wir unser Netzwerk aktiviert und neue und bekannte Stimmen zu ihrem Bild der Autonomie befragt.

 

Die Zärtlichkeit ausweiten

von Kevin Rittberger

Autonomie ist Bildungssprache, oder? Das erste Anliegen muss also sein, für alle verständlich zu sprechen. Was denken wir, wenn wir Autonomie sagen?

 

Lauf davon

von Danger Dan

Da war ein Job, einer mit flexibler Arbeitszeit / In einer hippen Agentur, die sich sehr gut zu vermarkten weiß / Jede Woche eine After-Work-Party mit dem Chef

 

Radikale Zärtlichkeit ist ein Handwerk

Kevin Rittberger im Gespräch mit Şeyda Kurt

Ich habe festgestellt, dass Autonomie für mich eher so etwas wie „Handlungsfähigkeit“ oder „Handlungsmacht“ bedeutet. Damit meine ich, dass ich zum Beispiel in Beziehungen weiß, dass Dinge verhandelbar sind und ich diese Verhandlungen einfordern kann.

 

Jenseits des Eigentums

Kevin Rittberger im Gespräch mit Jan Groos

Wir sind nicht vollkommen autonom, wir sind aber auch nicht nicht individuell und beides hat sein Gutes.

 

Autonomie und Verbundenheit

von Cornelia Oestereich

Der Begriff Autonomie braucht einen Referenzrahmen. Für sich allein stehend hat er keine Relevanz. Er muss kontextualisiert werden.

 

Terror has no shape

von Mazlum Nergiz

Heute habe ich das Bild, von dem ich Dir erzählt habe, beendet: krumme, tanzende Linien, ineinander verschlungen, dick und schwarz.

 

Über die Autonomie von radikaldemokratischen Gemeinschaften

Kevin Rittberger im Gespräch mit Nikolaus Brauns

Autonomie wird oft im Sinne von völliger Selbstbestimmung und Unabhängigkeit verstanden. Doch gerade für Einzelne ist es eigentlich nicht möglich, wirklich autonom zu leben, da der Mensch nun mal ein gesellschaftliches Wesen ist.

 

Im Unbekannten Schutz

von Katja Sigutina

Die Freiheit, selbst entscheiden zu können, wo und wie ich lebe, zähle ich zu eines meiner größten Privilegien.

 

Fisch

von Judith Herzberg

Wenn ich ein Fisch wär, wüßt ich schon / Wie ich zu schwimmen hätte, sanft durchs Wasser / Dümpeln, mit einer Drehung halten.

 

Auf der Suche nach neuen Praktiken

Ein Gespräch mit Lucía Muriel geführt von Kevin Rittberger

Ich erlebe die jungen Menschen im Spannungsfeld zwischen der Entwicklung und Entfaltung der Autonomie. Auf der einen Seite das Finden der eigenen Autonomie und auf der anderen Seite diese kapitalistisch geprägte Individualisierung.

 

Selleriesaft

von Annika Henrich

Eine Stange Staudensellerie / Ein Apfel / Ein Stück Ingwer / Saft einer halben Zitrone / 200 Milliliter Wasser

 

Über künstlerische Autonomie

von Tobias Herzberg

Die Aufgabe des Staates soll sein, für sichere Straßen zu sorgen. Die Straßen sind nicht sicher, wenn sie nach Antisemiten benannt sind. Die Autonomie der Kunst kann darin bestehen, Denkmäler zu bauen, zu kippen oder zu beschmieren.

 

Zustandsreduktion I von ∞

von Luise Meier

Ein Strang, den das Nachdenken über Autonomie verfolgen kann, als Bewegung von einer heteronomen Verkettung zur anderen, findet sich hier als Protokoll. Andere wären an anderen Stellen zu verfolgen.

 

Das Wagnis des Weichbleibens

Kevin Rittberger im Gespräch mit Eva von Redecker

Letztens hatte ich ein Gespräch mit dem zwölfjährigen Sohn eines Freundes, der meinte, am freiesten wäre er, wenn er allein auf dem Mars wäre.

 

Postautonomes Denken. Zur systematischen Überforderung des Ästhetischen in symmetrischen Kollektiven

von Nina Tessa Zahner

Die gegenwärtigen politischen, sozio-ökonomischen und ökologischen Herausforderungen rücken Fragen nach zeitgemäßen Praktiken der Welterkenntnis, Weltaneignung und Weltgestaltung zunehmend in den Fokus.

 

 

 

Mitschnitte der Autonomie-Livestreams:

 

 

 

Zu den weiteren Ausgaben unseres Magazins:

 

 

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